Die Zukunft des guten Sterbens

Beim Thema „Sterben“ taucht ein Name immer wieder auf: Dr. Elisabeth Kübler-Ross. Die Medizinerin aus der Schweiz, die viele Jahre in den USA lebte und dort 2004 verstarb, war die erste Fachärztin, die Gespräche mit Sterbenden führte. Ihr Buch „On death and dying“ (deutsch: Interviews mit Sterbenden) markierte in den späten 1960er-Jahren einen Wendepunkt im Umgang mit Menschen am Lebensende.

Sterbebegleitung gab es damals noch nicht. Wenn Sterbenden überhaupt jemand beistand, dann waren es Pfarrer. Der Verdienst von Kübler-Ross war es, sich auf die Wünsche und Ängste der Sterbenden einzulassen und mit ihnen über ihr nahes Ende zu sprechen. Mit der systematischen Erfassung ihrer Gespräche und der Beschreibung eines Sterbeverlaufs in fünf Phasen gab sie Orientierungshilfe auch für die trauernden Angehörigen. Das „Phasen-Modell“ gilt zwar heute teilweise als überholt (darüber werde ich noch an anderer Stelle berichten), dennoch hat Kübler-Ross die moderne Hospizarbeit nachhaltig geprägt.

Ideal und Wirklichkeit

Machen wir jetzt einen Sprung ins Jahr 2018: Ein DFG-Forschungsprojekt, durchgeführt vom Institut für Soziologie an der LMU München (Nassehi, Saake, Breitsameter als Projektverantwortliche), untersuchte das „Ideal des guten Sterbens“ in einigen Hospizen und Palliativstationen. Ausgangspunkt bildeten die normativen Erwartungen und Vorstellungen, die mit einem guten Lebensende verknüpft sind.

Das Ergebnis mag überraschen: Sterbende, die bis zum Schluss Einblicke in ihre Befindlichkeit geben und sich aktiv einbringen – dieses Ideal wird in vielen Fällen nicht bestätigt. Die Vorstellung, dass Sterbende reden und wichtige Dinge noch klären möchten, ist so nicht haltbar. Einige möchten über ihr nahes Ende partout nicht reden. Andere akzeptieren ihr Sterben nicht. Andere wiederum wollen „Alltag“ bis zum Schluss, was beispielsweise bedeuten kann: schweigen, essen, Fernsehen gucken. Die Wirklichkeit am Lebensende hat also viele Facetten zwischen Reden, Schweigen und „banale Dinge“ tun. Was bedeuten diese Erkenntnisse für die Zukunft des Sterbens?

Gutes Sterben

In Krankenhäusern, Palliativstationen und Hospizen ist Sterben etwas Alltägliches. Dieser Alltag stellt sich jedoch für Lebende wie Sterbende jeweils anders dar. So verweist Dr. Irmhild Saake, eine der Projektverantwortlichen, auf die „Asymmetrie des Sterbens“. Man sollte sich immer wieder der Tatsache bewusst sein: Nur der Sterbende stirbt, die anderen schauen zu und leben weiter.

Hinzu kommt: Zwischen Hoffnung, Bangen und Verzweiflung über den unfassbaren Tod können viele Wünsche entstehen. Das Leben am Ende des Lebens zu „bereinigen“, mag für Außenstehende ein erstrebenswertes Ideal sein, für Sterbende ist dies oft nicht der Fall. Das Sprechen über den nahen Tod kann daher nur ein Angebot sein, das der/die Sterbende auch ablehnen kann. Der Wille, in Ruhe gelassen zu werden, sollte erkannt und akzeptiert werden.

Mein persönliches Fazit: Sterbebegleitung ist eine notwendige, doch gewiss keine leichte Aufgabe. Sie erfordert ein besonderes Maß an Empathie, Erfahrung und Fachwissen. Der berechtigte Anspruch, „gutes Sterben“ zu ermöglichen, darf jedoch den Blick auf die unterschiedliche Bedürfnislage der Sterbenden nicht trüben. Dazu braucht es (noch mehr) Austausch und professionelle Schulung von Betreuer*innen und Sterbebegleiter*innen – jetzt und in Zukunft.

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