Trauer bei Kindern und Jugendlichen

Manche Erwachsene empfinden es als Glück, dass sie den Tod erst in einer fortgeschrittenen Lebensphase kennenlernen, z.B. wenn die betagten Eltern sterben. Wenn wir jedoch im Alter von fünf oder neun oder vierzehn Jahren ein Geschwisterchen, den Opa oder gar ein Elternteil verlieren, steht die Welt still. Normalerweise sind Kinder sehr in der Gegenwart verhaftet: Sie spielen und vergessen das Umfeld um sich herum. In dem Augenblick jedoch, in dem eine Todesnachricht eintritt, herrscht Verwirrung und Unverständnis: Was, die kleine Laura, die kleine Schwester soll tot sein? Tod???!!! Was soll DAS denn sein? Laura schläft doch nur, oder? Aber warum weinen Mama und Papa?

Kinder stolpern in Trauerpfützen und springen wieder heraus

Ähnlich wie die „Großen“ so haben auch die „Kleinen“ unterschiedliche Trauergefühle, ihr Verhalten erscheint jedoch Außenstehenden oft sehr widersprüchlich: „Die Trauer der Erwachsenen ist wie das Waten durch einen Fluss. Kinder stolpern in Pfützen der Trauer und springen dann wieder raus“, so die schwedische Schriftstellerin Astrid Lindgren.

Abrupte Veränderungen im kindlichen Verhalten sind nicht außergewöhnlich, wenn Bezugspersonen sterben. Viele Seelsorger und Kinderpsychologinnen sind sich einig, dass für trauernde Kinder der Kontakt innerhalb der Familie und im Freundeskreis sehr wichtig ist. Kinder sollen am „Traueralltag“ ganz selbstverständlich teilnehmen können. Die Kleinen können beispielsweise dabei sein, wenn der Sarg oder die Urne ausgesucht wird. Und sie sollen auch an der Bestattung teilnehmen und die Trauerreden hören dürfen, auch wenn sie vieles nicht verstehen. Trauern ist zwar individuell, doch gemeinsame Aktivitäten in schwierigen Zeiten wirken wie ein unsichtbares Band und sollten für die Verarbeitung kindlicher Trauer nicht unterschätzt werden.

Jugendliche trauern ähnlich wie Erwachsene

Und wie trauern Jugendliche, die sich auf der Schwelle zwischen Kindheit und Erwachsenen-Sein befinden? Zunächst einmal sind den meisten Jugendlichen Themen wie Sterben und Tod ebenso „vertraut“ wie Erwachsenen. Sie ängstigen sich vor dem Sterben und sie wissen häufig noch nicht, ob oder an was sie glauben sollen. Jedoch gibt es einen wichtigen Unterschied: Der Tod nahestehender Menschen kann die Loslösung vom Elternhaus verzögern, wohingegen diese „Abnabelung“ für Erwachsene in der Regel bereits viele Jahre abgeschlossen ist.

Ein Beispiel: Nehmen wir an, die Mutter von Jan stirbt an Krebs und der 17-Jährige übernimmt Verantwortung für seinen jüngeren Bruder und möchte auch seinem Vater eine Stütze sein. Gleichzeitig ist aber Jan von seiner eigenen Traurigkeit oft überwältigt und weint viel, wenn er alleine ist. Auf sein Umfeld wirkt er meist unkonzentriert und hin und wieder auch aggressiv. Was kann zum Beispiel der Vater tun, damit es Jan besser geht und ihm perspektivisch ein guter Start in ein eigenständiges Leben gelingt?

Zum einen sind Vater-Sohn-Gespräche sicherlich eine gute Möglichkeit, um mehr über die Trauer von Jan und seinen Plänen zu erfahren. Jugendliche sind keine Kinder (mehr). Sie verfügen über einen anderen Sprachschatz als die „Kleinen“ und man kann mit ihnen auf Augenhöhe reden. Allerdings reden Heranwachsende oft lieber mit einem Freund oder einer Freundin über ihr Gefühlsleben als mit Familienangehörigen. Manchen fällt es auch leichter, sich mit fremden Altersgenossen in einer Trauergruppe auszutauschen und Zukunftspläne zu schmieden. Dabei nutzen Jugendliche analoge wie digitale Hilfsangebote als selbstverständlicher Bestandteil ihres persönlichen Trauerprozesses, wie mir immer wieder in Gesprächen bestätigt wurde.

Wenn also Todesfälle in Familien auftreten, sollten Erwachsene nicht nur die eigene, sondern auch die jugendliche bzw. die kindliche Trauer ernst nehmen. Gemeinsame Aktivitäten können bei allen Betroffenen Kummer und Schmerz lindern. Vor allem Jugendliche fühlen sich jedoch Gleichaltrigen näher und suchen in ihrer Trauer eher Gespräche außerhalb der Familie. Es braucht Geduld und Mut verschiedene Trauerwege zu akzeptieren, denn ob Groß oder Klein: Jeder Mensch trauert anders.

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