Das erste und das zweite Trauerjahr

Wer sich mit Trauer beschäftigt, egal ob Print oder Online, merkt sehr schnell, dass primär die „365-Tage-Trauer“ im Fokus steht. Begründungen, warum das erste Trauerjahr so wichtig ist, finden sich in Aussagen wie: Der erste Geburtstag, das erste Weihnachten, der erste Jahreswechsel nach dem Verlust des geliebten Menschen sind etwas ganz BESONDERES.

Alles, was zum ersten Male geschieht, ist sehr speziell. Kein Wunder also, dass die ersten 365 Trauertage medial so viel Beachtung finden. Das zweite Trauerjahr scheint offensichtlich in eine andere Kategorie zu fallen: Genug getrauert, das Leben MUSS weitergehen. Trauernde MÜSSEN nun „aus dem Gröbsten raus sein“. Genug der Tränen, das Leben soll wieder seinen normalen Rhythmus finden.

Fakt ist jedoch: Jedes Trauerjahr kann schwierig sein; es hängt von der zwischenmenschlichen Verbindung ab, die der/die Lebende mit der verstorbenen Person hatte. Die Beziehungsqualität prägt das Trauerempfinden ganz entscheidend. Verabschieden Sie sich also von den gängigen Vorstellungen, dass die erste Zeit nach dem Verlust am schlimmsten ist. Gehen Sie vielmehr davon aus, dass auch das zweite Trauerjahr oder auch spätere Jahre emotional eine heftige Zeit sein können. Trauerzeit ist Perlenzeit, habe ich das in einem Blogbeitrag genannt…

Häufig ist zu beobachten, dass sich die Intensivität der Trauer im Laufe der Zeit verändert. Der Verlust wird weniger belastend erlebt. Die Dankbarkeit und die Freude überwiegt, dass man eine gewisse Lebensphase gemeinsam verbringen konnte. Dennoch ist ein Trauerprozess komplex und für diejenigen, die davon betroffen sind, eine echte Herausforderung. Der Theologe und Pfarrer Dietrich Bonhoeffer (1909 bis 1945) schrieb dazu:

Es gibt nichts, was uns die Abwesenheit
eines uns lieben Menschen ersetzen kann,
und man soll das auch gar nicht versuchen.
Man muss es einfach aushalten und durchhalten.
Das klingt zunächst sehr hart,

aber es ist zugleich auch ein großer Trost:
Denn indem die Lücke wirklich unausgefüllt bleibt,

bleibt man durch sie miteinander verbunden.

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