Claudia L.

Gestorben im 49. Lebensjahr. „Guck mal, Kurt. Die Frau hier ist mein Jahrgang. Die wäre jetzt auch 51 und ist schon seit fast zwei Jahren tot“. Kurt nickt und geht mit seiner Frau langsam weiter.

Es ist November, der Totengedenkmonat. Die Zeit, in der viele das Grab ihrer Angehörigen schmücken. In wenigen Wochen ist Weihnachten. Wieder Festtage ohne diejenigen, die man liebte, verehrte oder einfach nur mochte: Ein feiner Kerl, eine tolle Freundin, ein wunderbarer Zuhörer, ein hilfreicher Nachbar, die beste Mama der Welt… Ach, wie schade, dass es diese Menschen nicht mehr gibt. Im November ist der „Blues“ auf Friedhöfen oft noch hör- und sichtbarer als in anderen Monaten.

Die Biografie von Claudia L., verstorben im 49. Lebensjahr, war geprägt durch eine leise, schleichende Krankheit: Brustkrebs. Kämpferisch und zuversichtlich blieb sie bis zum Schluss, sicherlich auch wegen ihres kleinen Sohnes. Tom war 13 Jahre alt als seine Mutter starb. Er lebt nun seit zwei Jahren bei seinem leiblichen Vater und dessen Lebensgefährtin. „Die Leiden und auch die Launen der Kinder, die ein Elternteil verloren haben, ist ein ganz besonderes Kapitel. Man ist selbst hilflos. Ich komme jedenfalls diesbezüglich an meinen Sohn nicht heran. Er verschließt sich mir völlig, wenn ich ihn auf seine Mutter anspreche“, so der Vater von Tom.

Und er führt weiter aus: „Unsere Wohngemeinschaft zu dritt tut ihm zwar gut, doch seine Trauer trägt er alleine mit sich aus. Weil Claudia kurz vor Weihnachten gestorben ist, ist das immer ein schwieriges Fest für ihn und für uns natürlich auch. Er geht dann an Heilig Abend, am ersten und am zweiten Weihnachtsfeiertag auf den Friedhof. Alleine, niemand darf ihn begleiten. Und Claudias Eltern mussten Tom versprechen, dass sie das Grab an Weihnachten immer mit Tannenzweigen auslegen. Das machen die alten Leutchen auch so. Claudia und Tom hatten ein sehr enges Verhältnis, vor allem seit unserer Scheidung. Ich möchte ihm gerne ein guter Vater sein und hoffe, dass mein Sohn seine Trauer bald überwinden kann. Ich habe schon überlegt, ob eine Trauergruppe für ihn gut wäre. Vielleicht kann er dort sogar besser über seine Gefühle reden als mit mir…“

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