Reizworte und Floskeln

In meinen Coachings erlebe ich immer wieder, dass Menschen darunter leiden, in ihrer Trauer nicht ernst genommen zu werden. Selbst nahe Angehörige oder Freunde reden „Unsinn“, obwohl sie es „gut meinen“, so die Aussagen einiger Betroffener. Hier zwei Beispiele, über die sich trauernde Menschen ärgern und die sie nicht als hilfreich erleben.

Die Zeit heilt alle Wunden

„Nein, nein habe ich laut ausgerufen“, sagte mir eine Frau, die ihren Lebensgefährten durch einen Autounfall verloren hat. „Nein, meine Wunden werden nicht heilen, habe ich meine Freundin angeschrien.“

Auf meine Frage, wie denn die Floskel Die Zeit heilt alle Wunden verändert werden könnte, meine die junge Trauernde: „Ich weiß, dass sich im Laufe der Zeit die Trauer verändert. Ich muss nicht geheilt werden. Die Narben bleiben. Ich hoffe nur, dass die Zeit mir dabei hilft, dass ich nicht an der Trauer zerbreche.“

Im Coaching haben wir dann gemeinsam eine neue Aussage gefunden, die für die Betroffene nicht abgedroschen klingt und die auch Außenstehende gerne anwenden können: „Die Zeit wird mir helfen, mit meiner Trauer anders umzugehen.“

Du hast dein Leben noch vor dir

Auch dieser Satz hat für Ärger und Wut gesorgt. Die Trauernde war zum Zeitpunkt des Unfalltodes ihres Freundes 32 Jahre. Sie waren nicht verheiratet, seit 6 Jahren ein glückliches Paar, (noch) ohne Kinder. Es ist nachvollziehbar, dass Angehörige Zuversicht vermitteln möchten mit Kommentaren wie: „Du bist noch jung, du findest bestimmt noch einen neuen Partner. Alles wird gut. Du hast doch noch dein Leben vor dir.“

Die unglückliche junge Frau konnte diese Worte allerdings nicht als Trost empfinden. Im Gegenteil: Sie fühlte sich in ihrer Trauer nicht ernst genommen. Auch hier kann es nützlich sein, entweder auf gute gemeinte Ratschläge gänzlich zu verzichten oder Sätze zu wählen, die keine Floskeln sind.

„Ich hoffe, du findest nach einer gewissen Zeit wieder mehr Lebensmut und Lebenslust. Wenn ich dazu beitragen kann, lass es mich wissen!“ Es sind eher solche Aussagen, die ermutigen und unterstützen. Wem keine Worte einfallen, sollte besser schweigen. Schließlich können wir auch nonverbal trösten mit einer Umarmung oder einem Händedruck oder einem verständnisvollen Blick. Das ist oftmals der klügere Weg und für viele Trauernde eine größere Hilfe als eine schnell dahergesagte Floskel.

zurück zur vorherigen Seite