Humor in der Trauer

Es klopft: Herein!

Wer kommt? Freund Hein!

Was willst du mit der Sense, sprich?

Ich will nicht viel, ich will nur dich!

Was heute schon? Ist´s schon so weit?

Ach, lass mir doch noch ein wenig Zeit!

Nun gut, ich will mal nicht so sein,

ich schaue mal nächstens wieder rein…

(Heinz Erhardt, Komiker, Musiker, Dichter, Schauspieler 1909-1979)

Vielleicht lockt dieses Gedicht bei Ihnen ein Lachen oder Schmunzeln hervor? Der Tod klopft an und man darf mit ihm verhandeln. Jetzt bitte noch nicht. Komm zu einem späteren Zeitpunkt wieder. Und der Tod lässt sich darauf ein und verschwindet – für eine Weile.

Vielleicht denken Sie aber auch an Situationen, in denen Sie dem „Tod von der Schippe gesprungen sind“ – und das sogar ohne „Verhandlung“. Sie hatten einfach Glück und das Schicksal war Ihnen gewogen: Sie bekamen beispielsweise eine Krebsdiagnose, doch der Tumor war gutartig und macht bislang keine weiteren Probleme. Oder: Den Zug, der Sie von A nach B bringen sollte, haben Sie verpasst mit dem Ergebnis, dass Sie nicht zu den Opfern des Zugunglücks gehören. Was für ein Glück! Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn es keine positive Krebs-Prognose gibt oder Ihr Partner/Ihre Partnerin das Zugunglück nicht überlebt. Lachen und Humor haben dann keinen Platz im Leben. Die Verzweiflung und die Trauer über den Verlust ist einfach zu groß.

Dennoch erlebe ich immer wieder, dass in schwierigen und sehr traurigen Momenten der Humor ein wunderbares Ventil sein kann. Er zeigt sich selten in den ersten Tagen der Trauer, eher zu einem späteren Zeitpunkt. Und er zeigt sich vor allem bei Persönlichkeiten, die bereits über einen „trockenen Humor“ verfügen. Diese Menschen pflegen auch in Trauerzeiten ihren humorvollen Stil und erzählen lustige oder gar kuriose Geschichten aus dem Leben der/der Verstorbenen. Nicht immer stoßen solche Narrative auf Gegenliebe. Es hilft jedoch, sich in solchen Situationen vorzustellen, dass für manche Betroffene Humor überlebenswichtig ist! Lachen darf sein, kann sein, muss für einige Menschen sogar sein, wenn große Trauer herrscht.

Und wenn der Tod irgendwann an die eigene Tür klopft und keine „Verhandlung“ mehr möglich ist, müssen wir gehen. Bis dahin ist hoffentlich noch ein wenig Zeit und wir können uns an vielen großen und kleinen Dingen erfreuen. Vielleicht sogar an den oben genannten Zeilen? Das Gedicht trägt übrigens den schönen Titel „Der Besuch“.

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