Der Arzt und Psychiater Sigmund Freud (1856-1939) prägte den Begriff „Trauerarbeit“ in den Jahren des ersten Weltkriegs. Für ihn war Trauerarbeit ein Vorgang, in der die Psyche einen Verlust verarbeitet. Er sah darin eine bemerkenswerte mentale Leistung, denn das Verarbeiten von Erinnerungen ist eine große Kraftanstrengung. Die „Arbeit“ für den/die Betroffene besteht aus einem schwierigen Spagat: Er oder sie muss einerseits einen Verlust ins eigene Leben integrieren, andererseits auch das eigene Leben wieder neu ordnen und gestalten.
Wie gut dies gelingt, hängt auch mit unseren frühen sozialen Bindungen zusammen. Die Beziehungen, die wir als Kinder und Jugendliche erfahren, beeinflussen die Art und Weise, wie wir als Erwachsene Verluste verarbeiten. Gefühle wie Vertrauen, Sicherheit, Geborgenheit, Nähe sind nicht nur prägend, sie erleichtern das Trauern wie auch das Weiterleben.
Problematischer Arbeitsbegriff
Dass Beziehungs- und Erinnerungsarbeit für Trauernde auch in der heutigen Zeit sehr wichtig ist, bestreitet wohl niemand. Dennoch ist der Begriff „Arbeit“ in Bezug auf Trauern mit Vorsicht zu betrachten. So schreibt der Psychologe Dr. Leon Windscheid: „Die Idee, Trauer als Arbeit zu verstehen, beruhigt uns Menschen, denn Homo sapiens ist ein Problemlöser. Kalte Nächte? Wir entzünden ein Feuer. Gefährliche Bakterien? Wir entwickeln Antibiotika. Ein Bild sicher aufhängen? Wir erfinden den Dübel…Begreifen wir Trauer als Problem, das es zu lösen gilt, bekommen wir sie mit ein wenig Arbeit in Griff…“ (L. Windscheid, Besser Fühlen, Rowohlt-Verlag, Hamburg 2021, S.152)
Auch wenn das Wort „Trauerarbeit“ leicht über die Lippen kommt, sollte man sich bewusst machen, dass Trauern keine Arbeit ist, die wir „erledigen“ und „abarbeiten“. Trauerprozesse sind komplex und oft mühsam. Es gibt keine Arbeitspläne, die man erfüllen muss. Für´s Trauern werden wir auch nicht bezahlt. Niemand kann uns unsere Trauer abnehmen. Trauern müssen wir selbst tun. Es gibt eine Vielzahl kleiner und große Tätigkeiten, die uns helfen, unseren Traueralltag besser zu ertragen. Im Idealfall nimmt dieses TUN positiven Einfluss auf unser weiteres Leben. Dazu mehr im nächsten Blogbeitrag.