Viele Menschen machen sich über ihr Ableben und das, was sie hinterlassen, wenig Gedanken. Warum auch? In der analogen Welt war es (relativ) einfach: Das Häuschen, die Wohnung, das Sparbuch, das Auto, die Briefmarkensammlung – der persönliche Besitz wurde an die Nachkommen entweder noch zu Lebzeiten verteilt oder nach dem Tod vererbt.
Da das Internet seit mehr als 25 Jahren unser Leben mitbestimmt und wir zunehmend digitale Spuren hinterlassen, nimmt unser Nachlass gewaltige Ausmaße an. Schätzen Sie einfach mal, wie viele digitale Fotos Sie alleine im vergangenen Jahr 2021 erstellt haben? Vielleicht sind „nur“ einige Hundert Bilder entstanden, vielleicht aber auch Tausende. Ein Teenager, der heute 14 Jahre ist und mit 95 Jahren stirbt, wird Millionen an Selfies, Filmchen und Textdateien hinterlassen. Was werden die Angehörigen wohl damit tun? Und was bedeutet der digitale Fortschritt für unsere Trauerkultur?
Tod und Trauer im Zeitalter des Internets
Sterben und Tod sind und bleiben REAL. Die Knochen bzw. die Asche eines Menschen sind keine „virtuellen Produkte“. Was sich jedoch durch die Digitalisierung verändert hat, ist die Form des Abschiednehmens und der Erinnerung.
Angesichts der Vielzahl digitaler Spuren, mag es vielleicht den einen oder die andere beruhigen, dass bestimmte Erinnerungsmöglichkeiten für immer gelöscht sind. Während ein Fotoband oder Briefe Zeugnis eines vergangenen Lebens sein können, sind die Speichermedien der 1980er- und 1990er-Jahre (z.B. Videokassetten, CDs) häufig nicht mehr verwendbar. Selbst die aktuellen Festplatten im Terabyte-Bereich sind kein Medium, das für die Ewigkeit gedacht ist. Bleiben also die „Wolken“ (clouds), die das Leben von immer mehr Menschen archivieren. Zudem scheint das Wolkenbild für viele zu ihrer Vorstellung vom Tod zu passen: Der „Himmel“ ist bevölkert von Seelen, deren irdisches Leben in digitalen clouds festgehalten wird…
Das Internet vergisst nichts und bewahrt alles: Websites von Menschen, die verstorben sind, werden von Angehörigen weiterhin gepflegt. Virtuelle Kerzen werden am Geburts- oder Todestag angezündet. Und selbst eine Bestattung kann per Video in nahezu alle Teile der Welt übertragen werden, so dass auch Bekannte des/der Verstorbenen bei der Beerdigung dabei sein können. Das „ewige Leben“ ist digital möglich und vielleicht sind Trauerplattformen mit Avataren im Jahre 2035 Standard? Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie die Entwicklung weitergeht. Fest steht jedoch: Trauern ist ein intensives Gefühl in unserer realen Welt, das in der digitalen Welt ein weiteres Wirkungsfeld gefunden hat.